Dass im Schamanischen Weltbild alle Dinge beseelt, umseelt und begeistet und daher auch direkt ansprechbar sind war und ist bis heute wohl für alle schamanisch Tätigen eine erfahrbare Wirklichkeit. Das „Lesen“ von Steinen ist ein fester Bestandteil vieler schamanischer Traditionen. Eine solche Erfahrung will ich hier erzählen:
Unsere neue Wohnstatt im Emmental konnten wir erst im April beziehen. Da wir vorher jedoch noch den Garten umzäunen wollten durften wir schon Ende Februar mit den Arbeiten beginnen. Das taten wir nicht, weil wir Zäune lieben oder uns abgrenzen wollten, sondern weil unser Hund einen unbändigen Freiheitsdrang hat.
So sind wir eines Abends nach getaner Arbeit nach Bern zurückgekehrt. Es war kalt und nass gewesen. Nach einer warmen Dusche und dem Abendessen setzte ich mich wie schon oft in meine Ecke im Wohnzimmer, um den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen und etwas zu meditieren. Um mich herum waren wie immer diverse Gegenstände aufgestellt. An diesem Abend hat mich mein kleiner Lapislazuli angezogen. Ein hübscher blauer Stein mit goldenen Einschlüssen. Dieser nahm ich also in die Hand und betrachtete ihn ohne irgendwelche Absichten. Weil ich ziemlich müde war, dauerte es nicht lange bis sich ein leichter Trancezustand einstellte und plötzlich ein Bild in dem Stein erschien. Ein Rinderschädel mit zwei Hörnern. Was soll denn das, dachte ich. Ein Totenschädel einer Kuh… Da konnte ich überhaupt keinen Bezug dazu herstellen. Wahrscheinlich war ich einfach zu müde, dachte ich. Aber auf einmal zeigte sich neben dem Schädel ein menschlicher Kopf im Seitenprofil. Etwas wie eine lange Zunge ragte aus dem Mund. Und er schien zu sprechen. An der Stirne war ein Gegenstand befestigt. Den kannte ich, weil ich ihn selbst manchmal gebrauche. War das etwa ich? Das verwirrte mich schon etwas. „Deine Worte haben Macht“ sagte das Antlitz. Was? Ja, ja, schon gut. Worte haben Macht, das wissen alle. „Du hast schon richtig verstanden. Deine Worte haben Macht!“ Nun, ich habe dem Allem keine grosse Bedeutung beigemessen und bin bald ins Bett gegangen.
Am nächsten Tag gingen wir zurück an die Arbeit an unserem Zaun. Bald sahen wir wie der Bauer mit seinem Hoftraktor zum Haus hochfuhr. Vorne auf der Staplergabel hatte er für die Rinder einen Ballen Maissilage geladen. Alles war wie immer. Er tat es, wie er es schon tausendmal getan hatte. Ich schaute zu, wie er den Ballen in den Futterstand positionierte. Auf der gegenüberliegenden Seite hatten schon die Rinder ihre Köpfe durch die Eisenstangen der Futterraufe gestreckt. Sie freuten sich auf die frische Silage, rangelten und balgten miteinander. Auf einmal rutschte eines aus und fiel hin. Der Kopf im Gitter eingeklemmt, konnte es nicht aufstehen, als sich die Gabel senkte. Der Ballen lag mit vollem Gewicht auf seinem Kopf. Der Bauer konnte das unmöglich sehen und ich schrie: „Zurück, zurück!“ „Was ist los?“ fragte dieser. „Zurück, es ist eines eingeklemmt!“ Er stieg vom Traktor und mit vereinten Kräften versuchten wir den Ballen zurückzurollen, aber der bewegte sich keinen Zentimeter. Viel zu schwer! Wertvolle Zeit verging. Der Bauer versuchte jetzt mit der Traktorgabel den Ballen wieder anzuheben, aber Anfangs schob er ihn nur noch weiter nach vorne und drückte dem Armen Tier noch mehr auf den Hals. Panik hat uns beide erfasst, denn das alles dauerte schon viel zu lange! Anfangs hat das Rind noch mit den Hinterbeinen gezappelt und getreten, dann war bewegte es sich nicht mehr.
Letztlich ist es doch gelungen den Maisballen anzuheben und zurückzuziehen, wie genau weiss ich nicht mehr. Da lag das Tier nun. Der Hals in einem unnatürlichen Winkel abgedreht in der Futterraufe eingeklemmt. Die Augen geschlossen, die Zunge hing im lang aus dem Maul. Keine Atmung mehr. Und da sah ich es! Die Seele des Tiers! Wie ein grauer oder schwarzer Schatten schwebte sie etwa fünf Meter seitlich und drei Meter in der Höhe davon. Die sucht einen Baum, dachte ich. (Vom Hörensagen weiss ich, dass Seelen oft für die ersten Tage in Bäume gehen, wenn sie sich vom Körper lösen) Aber da war keiner! Ich schrie innerlich so laut ich konnte: „Komm zurück, komm zurück! Es ist zu früh! Du trägst ein Kleines in dir! Bitte komm zurück!“ Äusserlich sagte ich leise: „Komm, komm, alles wird gut, lebe!“ Ich zog ihr eine Handvoll Silage aus dem Maul. Im selben Moment senkte sich die Schattenwolke, ihre Seele, herab und schlüpfte wieder in den Körper des Tieres. Das Tier tat einen tiefen Atemzug, zappelte, stand auf und schüttelte sich. Keine Verletzung, als währe nichts geschehen. Der Bauer sagte nur: „Das war aber knapp.“ Ja, das war knapp. Wie knapp konnte der liebe Mensch ja nicht sehen. Wie auch? Grosse Erklärungen brauchte es auch nicht, er hätte es nicht glauben können. Der Stein hatte recht………
Die Geschichte mit diesem Tier hat noch viele Kapitel. Aber davon ein Ander Mal.